Bei einer internationalen "Gunther-Konferenz" in Gutwasser/Dobra Voda im Oktober 2005 stellte Lukas Vales so dar:
"Lasst uns von der bekannten und bis heute nicht überwundenen Definition des Verhältnisses zwischen Tschechen und
Deutschen ausgehen, die vom Historiker Frantisek Palacky stammt. Er hat gesagt, dass die tschechisch-deutsche Geschichte
eine Geschichte des Begegnens und des Gefechtes ist. Sie beinhaltet also eine fruchtbare Zusammenarbeit und gegenseitiges
Beeinflussen genauso wie scharfe Konflikte. ...
Das tschechisch-deutsche Verhältnis kann ... Als eine ganze Reihe von ununterbrochenen Konflikten empfunden werden ...
Man kann aber auch einen ganz anderen Blick auf die tschechisch-deutsche Vergangenheit haben: Am Anfang der
gemeinsamen Vergangenheit steht nämlich ein höchst positiver Wert - das Christentum. ... Am Anfang der Entwicklung der
böhmisch-deutschen Verhältnisse begegnen wir drei Heiligen, die nicht nur eine tschechisch-deutsche, sondern mindestens
auch eine mitteleuropäische Bedeutung haben. ... Alle drei haben in Böhmen gelebt, alle drei wirkten im Heiligen Römischen
Reich, alle drei haben eine Berühmtheit erlangt, die ihnen eine Unsterblichkeit bis in das 21. Jahrhundert gesichert hat. Sie
selber sind Symbole (Zeichen, eine Bezeichnung mit bestimmter Bedeutung oder Allegorie bzw. mit bedeutsamen oder
sinnvollsten Inhalten). Symbolisch sind auch ihre drei Namen, beginnen sie doch alle drei mit einem großen "V": Vaclav
(Wenzel), Vojtech (Adalbert) und Vintir (Gunther). ...
Gunthers Beitrag zur und Bereicherung des böhmisch-bayerischen Verhältnisses ist außergewöhnlich. ... Gunther hat den
Böhmerwald zu einem Gebiet der verbindenden, gegenseitig befruchtenden Zusammenarbeit zwischen Tschechen und Bayern
gemacht, zu einem Gebiet mit gegenseitiger Durchlässigkeit, in dem die Staatsgrenze keine Kommunikationsgrenze zwischen
den Menschen bildet. ...
Und Gunther selbst ist z. B. auch der erste deutsche Wanderer auf der böhmischen Seite des Böhmerwaldes, den wir mit
Namen kennen. ... Er hat so gleichsam ein künftiges Kommen seiner Landsleute in den Böhmerwald vorgezeichnet."
Und Dr. Jan Royt von der Karlsuniversität Prag, der sich intensiv mit Leben und Werk St. Gunthers auseinandergesetzt hat,
trug in seinem Konferenzbeitrag 2005 u. a. vor:
"Die größte Verehrung hatte Gunther im 17. und 18 Jh. Er taucht in der Barockliteratur auf. Dass Gunther zu den Paten
Böhmens gehört wird dadurch unterstrichen, dass im Benediktinerkloster Police (ca. 100 km nordwestlich von Wien im
tschechischen Grenzgebiet zu Österreich, J. D.) Gunther gemeinsam mit dem heiligen Wenzel und dem heiligen Adalbert
dargestellt ist mit dem Schriftzug 'Paten Böhmens betet für uns'. ...
Gunther ist ein Beispiel eines Heiligen, der im Geiste Jesu oft Brücken zwischen feindlichen Seiten schlug. Seine Persönlichkeit
könnte zu einem Versöhnungssymbol des vergangenen und erst neulichen Unrechts sein, das sich Tschechen und Bayern
gegenseitig zugefügt haben."
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