"Fragen wir zusammenfassend nach dem Wirken Gunthers als Mönch und Eremit in Thüringen, so ist festzustellen, dass er,
abgesehen von der kurzen Zeit als Propst des Klosters Göllingen und seinem wohl eher politisch motivierten Aufenthalt am
Hof Kaiser Heinrichs II. in Magdeburg 1017, keine nachhaltigen Spuren in seiner thüringisch-sächsischen Heimat hinterlassen
hat. …
Dass wir ihn überhaupt mit Thüringen in Verbindung bringen können, verdanken wir letztlich einer kurzen Notiz in den
Annalen des Klosters Hersfeld und der etwas ausführlicheren Schilderung über Gunthers Bekehrung in der
Lebensbeschreibung Godehards von Niederaltaich. Gunther selbst hat uns dagegen nur ein Zeugnis hinterlassen, das ihn als
Förderer der Abtei Hersfeld und insbesondere von deren Tochterkloster im nordthüringischen Göllingen zeigt, an dem er
offensichtlich ein besonderes Interesse hatte. In der Forschung wurde deshalb immer wieder die Vermutung laut, Kloster
Göllingen sei von Gunther gegründet worden oder eine Art „Familienstiftung“ der späteren Grafen von Käfernburg gewesen,
zu deren Vorfahren der Eremit ja mit Recht gezählt wird. Heute wird man eine solche Vermutung kaum mehr aufrecht
erhalten können. Wahrscheinlicher ist, dass das Kloster Göllingen eine Hersfelder Gründung war, die von Gunther aufgrund
der engen Beziehungen seiner Familie und insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen im
thüringisch-sächsischen Grenzraum besonders gefördert wurde. …
Auch wird deutlich, dass Gunther vor seinem Eintritt in das Kloster in ein weitverzweigtes Netz thüringischer und sächsischer
Adliger eingebunden war, die schon früh enge Beziehungen zu Heinrich II. pflegten und diesen gerade in seinen schwierigen
Anfangsjahren als König nachhaltig unterstützten. Aus diesen Beziehungen heraus erklären sich auch die späteren Kontakte
Gunthers zum König, dem er, wie sein Aufenthalt auf dem Hoftag in Magdeburg 1017 beweist, auch als Eremit weiter
verbunden blieb. In dieser Verbindung zeigt sich einmal mehr, wie eng Politik und persönliche Frömmigkeit im Mittelalter
mitunter zusammenhängen konnten."
|